Das dritte Leben der Agnès Varda – Filmreihe

Filmreihe im Kino Arsenal

Das Kino Arsenal zeigt ausgewählte Filme Vardas, deren Motive sich in der Ausstellung wiederfinden und die Querbezüge innerhalb ihres Werks sichtbar machen. Dabei wird deutlich, dass ihre Beschäftigung mit Fotografie, Film, Bildender Kunst und installativen Formen nicht chronologisch aufeinander folgt, sondern dass Vardas Denken und Schaffen sich von Beginn an stets auf andere Künste bezog. Ihre Filme weisen immer wieder einen Hang zum Anordnen und Ausstellen auf. Vardas Werk besteht aus Passagen zwischen den Künsten, zwischen unbewegten und bewegten Bildern und zwischen Leben und Tod.

 

Programm im Kino Arsenal

Samstag, 11. Juni, 20 Uhr + Freitag, 8. Juli, 19 Uhr

LES GLANEURS ET LA GLANEUSE / Die Sammler und die Sammlerin   Agnès Varda   F 2000   OmU 82‘
Ihren dokumentarischen Essayfilm über das Sammeln (und Wiederverwerten) filmte Varda erstmalig mit einer kleinen digitalen Kamera. Ausgehend von François Millets berühmtem Gemälde von den Ährenleserinnen geht sie der Tradition des Aufhebens von Zurückgelassenem nach. Sie entdeckt Menschen, die in prekären Umständen von dem leben, was übrig ist und auf Feldern, Schrottplätzen oder Wochenmärkten die Reste unserer verschwenderischen Wegwerf- und Konsumgesellschaft aufsammeln. Varda stellt darüber hinaus kulturgeschichtliche Zusammenhänge her, thematisiert Vergänglichkeit und nimmt nicht zuletzt auch ihr Altern und ihr Filmemachen in den Blick, das sie ebenfalls als eine Art des Sammelns begreift. Eines der zahlreichen Fundstücke des Films sind herzförmige Kartoffeln – sie kehren in Vardas Videoinstallation Patatutopia wieder.

Einführung: Birgit Kohler (in deutscher Sprache)


Sonntag, 12. Juni, 19:30 Uhr + Sonntag, 17. Juli, 19:30 Uhr

LES PLAGES D’AGNÈS / Die Strände von Agnès   Agnès Varda   F 2008   OmU (12.6.)/OmE (17.7.) 110‘
In diesem autobiografischen Filmessay unternimmt Agnès Varda buchstäblich im Rückwärtsgang eine assoziative Reise durch ihr Leben und ihre Arbeiten. Sie lässt sich leiten von ihren Erinnerungen, die allerdings so unstet seien wie Fliegen. Ein Faden sind die Strände, die ihr Leben geprägt haben: an der belgischen Küste ihrer Kindheit, im südfranzösischen Sète ihrer Jugend, Venice Beach in Los Angeles, wo sie mit ihrem Mann Jacques Demy lebte und schließlich auf der Atlantik-Insel Noirmoutier, dem Feriendomizil der Familie. Varda spielt sich selbst als „kleine Alte“ und tritt inmitten von Ausschnitten aus ihren Filmen auf. Sie hält immer wieder Fotografien vor die Kamera, zeigt Segmente aus ihren Installationen und widmet sich humorvoll Überlegungen zum Altern und der Darstellbarkeit von Erinnerungen. „Ein Film, der sich als ‚Abfolge von Installationen’ aufführt.“ (Raymond Bellour)

12.6.: Einführung: Kathrin Peters (in deutscher Sprache)
17.7.: Einführung: Julia Fabry (in englischer Sprache)


Montag, 13. Juni, 20 Uhr + Samstag, 18. Juni, 20 Uhr

SANS TOIT NI LOI / Vogelfrei   Agnès Varda   F/GB 1985   OmE 105’
Zu Beginn des von einer Zeitungsmeldung inspirierten fragmentarisch erzählten Films sieht man schon das Ende: die erfrorene Leiche einer jungen Frau in einem Graben, irgendwo im winterlichen Südfrankreich. Die Kälte ist so fotografiert, dass man sie greifen kann. Der Film verfolgt in Rückblenden die Spuren, die die Landstreicherin Mona (Sandrine Bonnaire) hinterlassen hat und versucht, die letzten Wochen ihres Lebens zu rekonstruieren, anhand von Aussagen derjenigen, die ihren Weg gekreuzt haben. Ein Porträt Monas ist indes unmöglich: Die schroffe Vagabundin hat sich radikal von der Gesellschaft abgewendet, um in absoluter Freiheit zu leben, ohne Geld, ohne Dach über dem Kopf, ohne Kompromisse. Sie will weder Kontakt noch Hilfe, erklärt sich nicht, weist alle/s zurück. Sie geht, ziellos, bis sie umfällt.

L’OPÉRA-MOUFFE   Agnès Varda   F 1958   OmE 17‘
Die Ränder der Gesellschaft, obdachlose Clochards auf der Straße und andere verschrobene Existenzen nimmt Varda auch in ihrem subjektiven Dokumentarfilm L’OPÉRA-MOUFFE in den Blick. Durch Zwischentitel gegliedert, ohne Dialoge, mit Gesang aus dem Off und der Musik von Georges Delerue zeigt sie den Markt in der Pariser Rue Mouffetard aus Sicht einer schwangeren Frau, die sie selbst ist. Ihre Beobachtungen kombiniert sie mit inszenierten Liebesszenen und den Projektionen und Befürchtungen einer Schwangeren. Traurigkeit und Frohsinn, Unglück und Paradies liegen hier nah beieinander.


Mittwoch, 15. Juni, 20 Uhr + Freitag, 8. Juli, 21 Uhr

DEUX ANS APRÉS / Zwei Jahre danach   Agnès Varda   F 2002   OmE 64‘
Ein P.F. (Post Filmum), das erzählt, was nach der Veröffentlichung von LES GLANEURS ET LA GLANEUSE passiert ist. Die immense Flut an Reaktionen – Preise, Briefe, Geschenke – führte zu Begegnungen mit durch den Film inspirierten neuen Sammler*innen und zu erneuten Besuchen bei einigen der Protagonisten: Der ehrenamtliche Lehrer hat durch einen TV-Auftritt eine gewisse Bekanntheit erlangt, ein anderer Sammler war in der Psychiatrie. Das Gemälde Les glaneuses fuyant l’orage wurde zwischenzeitlich restauriert der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Agnès Varda hat sich den Haaransatz nachgefärbt.


Freitag, 17. Juni, 19 Uhr + Mittwoch, 29. Juni, 19:30 Uhr

Kurzfilmprogramm 1
Das Programm versammelt zwei Filme aus und über Fotos.

SALUT LES CUBAINS   Agnès Varda   F/Kuba 1963   OmE 30‘
Die Kubakrise war gerade überstanden, als Agnès Varda mit ihrer Leica nach Kuba reiste. Zurück in Paris montierte und animierte sie 1.500 der vor Ort aufgenommenen Schwarz-Weiß-Fotografien zu einem ausgelassenen Reisebericht mit Musik, kommentiert von Michel Piccoli und ihr selbst. Die beschwingte Fotomontage, eine quirlig-solidarische Verneigung vor der Revolution, mit Zigarren, Bärten, Zuckerwatte, mit Fidel und seinen Reden, Musikern, Milizionären, Frauen und Sozialismus endet mit einem Cha-Cha-Cha, der auch die Fotos zum Tanzen bringt.

ULYSSE   Agnès Varda   F 1982   OmE 22’
Eine Fotografie von Agnès Varda aus dem Jahr 1954 zeigt eine tote Ziege, ein Kind und die Rückenansicht eines nackten Manns an einem steinigen Strand. 28 Jahre später kommt sie auf dieses Foto zurück, studiert es genau, macht sich auf die Suche nach den beiden abgebildeten Personen und reflektiert dabei über die Erinnerung, das Wesen der Fotografie und das Vergehen der Zeit.

17.6.: Einführung: Winfried Pauleit (in deutscher Sprache)
 

Mittwoch, 22. Juni, 20 Uhr + Montag, 4. Juli, 20 Uhr

Kurzfilmprogramm 2
Das Programm zeigt Filme, die jeweils in Reaktion auf eine Ausstellung entstanden sind.

7 P., CUIS., S. DE B... À SAISIR   Agnès Varda   F 1984   OmE 27‘
Im Dekor einer Ausstellung mit dem Titel Le vivant et l’artificiel, die 1984 im Hospiz St. Louis in Avignon stattfand und u.a. anatomische Modelle aus Wachs und Schädel aus Gips zeigte, drehte Varda diesen kurzen filmischen Essay, der die bewegte Geschichte eines alten, zum Verkauf stehenden Hauses voller Erinnerungen sowie der darin lebenden Familie eines Arztes erzählt – so wie Agnès Varda diese imaginiert. Die Bilder erinnern bisweilen an die Poesie des Surrealismus, vom Truthahn auf dem mit Gras bewachsenen Herd in der Küche bis zum mit weißen Federn ausgekleideten Badezimmer, in dem eine nackte alte Frau sitzt.

YDESSA, LES OURS ET ETC…   Agnès Varda   F 2004   OmE   44’
Partners (The Teddy Bear Project) war der Titel einer Ausstellung im Münchner Haus der Kunst, die Ende 2003 1.500 Fotografien präsentierte, die alle eine Gemeinsamkeit aufweisen: Auf jedem Foto ist ein Teddybär zu sehen – mit Kindern, einer ganzen Familie, nackten Frauen, Sportlern oder Soldaten –, zusammengetragen von der kanadischen Sammlerin, Kuratorin und Künstlerin Ydessa Hendeles. Inspiriert wurde sie von einer Fotografie ihres Cousins Szlamus Zweigel, der als Kind in Auschwitz ermordet wurde. Varda befragt Hendeles in Toronto zu ihren Motiven und zahlreiche Besucher*innen in der Ausstellung zu ihren Eindrücken.


Freitag, 24. Juni, 20 Uhr + Mittwoch, 6. Juli, 20 Uhr

QUELQUES VEUVES DE NOIRMOUTIER / Die Witwen von Noirmoutier   Agnès Varda   F 2006   OmU 69‘
Agnès Varda war selbst seit 14 Jahren verwitwet, als sie sich den Witwen der Atlantik-Insel Noirmoutier, auf der sie mit ihrem verstorbenen Ehemann, dem Filmemacher Jacques Demy und ihrer Familie viel Zeit verbracht hat, zuwandte. Sie widmete ihnen eine Videoinstallation und diesen Film, der auf für die Installation gedrehtem Material basiert. Die Frauen berichten in langen Gesprächen, wie sie mit Verlust und Schmerz leben, über Trauer, Einsamkeit und gemischte Gefühle. Sich selbst porträtiert Varda als schweigende Witwe.

24.6.: Einführung: Dominique Bluher (in deutscher Sprache)
 

Sonntag, 26. Juni, 20 Uhr + Donnerstag, 14. Juli, 20 Uhr

JACQUOT DE NANTES   Agnès  Varda   F 1991  OmE 118‘
Eine Liebeserklärung Vardas an ihren sterbenden Mann, den Filmemacher Jacques Demy und eine Hommage an sein Kino. Sie verfilmt Demys Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in Nantes in den Jahren von 1939 bis 1949, stellt – an den realen Orten – Familienszenen nach, blendet Ausschnitte aus seinen Filmen ein und wechselt bisweilen von Schwarzweiß in Farbe. Es entsteht die Chronik einer glücklichen Kindheit in der Autowerkstatt des Vaters, mit Kasperletheater, Gesang, einer frühen Passion fürs Kino und autodidaktischen Filmversuchen. Intime Bilder des von der Krankheit gezeichneten Demy am Strand sprechen zärtlich von Abschied und Vergänglichkeit. Viele Jahre später wendet sich Varda nochmals der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu und kommt für ihre Installation Hommage aux Justes de France auf die Form der Evokation im Zusammenspiel von dokumentarischen und fiktionalen Anteilen zurück, die sie für JACQUOT DE NANTES gefunden hatte.

Samstag, 11. Juni ­­– Donnerstag, 14. Juli
Kino Arsenal, Potsdamer Platz
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