Philo.live! Das Philosophie-Festival in Berlin

Das Berliner Philosophie-Festival Philo.live! feierte im Juni 2024 mit rund 2.000 Besucher*innen eine fulminante Premiere im silent green.

Die nächste Ausgabe folgt im November – mit folgendem Programm:

 

Samstag, 15. November

11:00 bis 12:30 Uhr
Sterben für den Staat? Über Pazifismus und Kriegstüchtigkeit.
Mit Sönke Neitzel und Olaf L. Müller
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Am 24. Februar 2022 erwacht die deutsche Öffentlichkeit aus ihrem geopolitischen Schlummer. Mit Russlands Überfall auf die Ukraine kehrt der Krieg nach Europa zurück, der Befund der „Zeitenwende“ kommt auf. Während die einen der „Kriegstüchtigkeit“ das Wort reden, machen andere sich für eine pazifistische Position stark. 

Ist es moralphilosophisch vertretbar, vom Einzelnen das Sterben für den Staat zu verlangen? Gebietet es die geopolitische Lage, die ausgesetzte Wehrpflicht zu reanimieren? Ist der Pazifismus letztlich naiv, weil er nur in Friedenszeiten billig zu haben, doch im Ernstfall – dem Krieg – nicht mehr angebracht ist? Oder wird er gerade dann erst zur relevanten Haltung?

Über diese Fragen diskutieren der Militärhistoriker Sönke Neitzel, der einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet für wahrscheinlich hält, und der Philosoph Olaf L. Müller, der einen „pragmatischen Pazifismus“ fordert. 

Moderation: Christoph David Piorkowski


14:00-15:30 Uhr
Was will Russland?
Mit Gwendolyn Sasse und Jörg Baberowski
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Seit über drei Jahren führt Putins Russland einen Krieg gegen die Ukraine. Umstritten ist bis heute, was Putin damit bezweckt: Will er sich lediglich die NATO vom Leib halten, um anschließend Ruhe zu geben? Oder ist der Ukraine-Krieg nur der Auftakt zu einer Wiederherstellung des russischen Imperiums – vielleicht gar zu seiner Erweiterung? Müssen wir mit Angriffen auf Europa rechnen? Auf die liberale Demokratie weltweit? Und wie können wir uns ein Russland nach Putin vorstellen – wird es friedlicher und liberaler oder aggressiver und autoritärer?

Darüber wollen wir mit der Politikwissenschaftlerin und Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse diskutieren, die den Ukraine-Krieg als Konflikt zwischen Autoritarismus und Demokratie versteht. Ihr Gesprächspartner Jörg Baberowski, Historiker und Russland-Kenner, deutet den Krieg hingegen als Auseinandersetzung zwischen Imperium und Nationalstaat. 

Moderation: Moritz Rudolph
 

17:00-18:30 Uhr
Demokratie verteidigen – was heißt das?
Mit Michel Friedman
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Die einen meinen: Man verteidigt die Demokratie am besten, indem man die Grenzen des Sagbaren erweitert und die AfD wie jede andere Partei behandelt. Die anderen sagen: Genau in einer solchen grenzenlosen Toleranz besteht die größte Gefahr für die Demokratie. Michel Friedman, selbst jüdischer Abstammung, weiß sehr genau, zu welchen Menschheitsverbrechen völkisches Denken führen kann. 

Was also, wenn der Bertolt Brechtsche Satz: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ gerade jetzt wieder an Aktualität gewönne? Wie andererseits umgehen mit der Schwierigkeit, dass eine Demokratie, die sich gegen jede Gefahr wappnen will, Gefahr läuft, sich selbst preiszugeben? Und: Ist der Souverän der Demokratie, nämlich die Menschen, die in ihr leben, überhaupt bereit, für sie zu kämpfen? Friedmans neues Buch Mensch! Liebeserklärung eines verzweifelten Demokraten ist soeben bei Piper erschienen. 

Moderation:  Svenja Flaßpöhler


20:00-21:30 Uhr
Was ist Populismus?
Mit Sahra Wagenknecht und Julia Reuschenbach
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Als „populistisch“ wird gemeinhin eine politische Grundhaltung bezeichnet, die für sich in Anspruch nimmt, den Volkswillen zu repräsentieren, während „die Eliten“ über das Volk hinwegregieren. Gebraucht wird der Begriff im Diskurs in der Regel abwertend: Der Populist betreibt sträfliche Komplexitätsreduktion, indem er einen vermeintlich einheitlichen Volkswillen konstruiert, und täuscht die Bevölkerung mit allzu einfachen Lösungen. 

Sahra Wagenknecht gehört zu den Politikern, die regelmäßig als populistisch bezeichnet werden. Aus guten Gründen, meint Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin am Berliner Otto-Suhr-Institut, die für eine Volksnähe ohne Populismus plädiert. Was entgegnet die BSW-Vorsitzende? Und was ist von der Forderung der Politologin Chantal Mouffe zu halten, die einen linken Populismus fordert? 

Moderation: Wolfram Eilenberger

 

Sonntag, 16. November
 
11:00-12:30 Uhr
Gibt es Gerechtigkeit?
Mit Bernhard Schlink
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Soziale Gerechtigkeit, koloniale Gerechtigkeit, ökologische Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Gendergerechtigkeit - wir sind von Gerechtigkeitsthemen und -problemen umgeben und gefordert, und überdies stellt sich die Gerechtigkeitsfrage bei den gegenwärtigen kriegerischen Konflikten. Suchen wir Hilfe von der Philosophie, begegnen wir unterschiedlichen und widersprüchlichen Gerechtigkeitstheorien und einer Skepsis, für die es überhaupt nur eine Vielfalt subjektiver Vorstellungen von Gerechtigkeit gibt. Aber die Theoretiker wie die Skeptiker müssen für Streitigkeiten ihrer Kinder, Freunde oder Kollegen gerechte Lösungen finden, und immer wieder gelingt es und fühlen sich alle gerecht behandelt. 

Gerechtigkeit ist keine Leerstelle, an der sich nur Widersprüche und subjektive Vorstellungen geltend machen. Denn über sie hinweg werden gerechte Lösungen gefunden. Wir können Gerechtigkeit nicht dingfest machen. Aber vielleicht gibt es immerhin eine Strategie, wie wir nach Gerechtigkeit fragen und die Antwort auf die Frage suchen – und immer wieder finden. Dem geht das Gespräch nach.


14:00-15:30 Uhr
Identitätspolitik bis Klimapolitik: Wo geht`s hier nach links? 
Mit Bernd Stegemann und Ricarda Lang
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Haben Linke ihre ursprünglichen Ziele verraten, als sie woke wurden? Oder handelt es sich bei „Wokeness“ und „Identitätspolitik“ vor allem um Kampfbegriffe, mit denen progressive Ziele diffamiert werden? Was heißt es heute wirklich, sich für Gerechtigkeit einzusetzen? Und wie sähe eine tragfähige Klima- und Migrationspolitik aus?

Die Politikerin Ricarda Lang versuchte in ihrer Zeit als Bundesvorsitzende der Grünen, die Partei vom Image des weltfremden „Elitenprojekts“ zu befreien und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund zu stellen – und wurde dennoch mit dem Vorwurf konfrontiert, Identitätspolitik zu betreiben. Sie diskutiert mit dem Autor und Dramaturgen Bernd Stegemann, der zu den schärfsten Kritikern der Wokeness zählt und insbesondere den Grünen anlastet, sich mehr um moralische Selbstüberhöhung als um Probleme zu kümmern. 

Moderation: Anastasia Tikhomirova


17:00-18:30 Uhr
Die Mitte des Lebens – die besten Jahre?
Mit Barbara Bleisch und Lucy Fricke
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Die Lebensmitte hat keinen guten Ruf: Sie gilt als Zeit, in der man Bilanz zieht, im Hamsterrad der Routinen feststeckt oder in der „Midlifecrisis“ nach einem Ausweg sucht. Was macht diese Phase der Existenz jenseits der Klischeebilder aus? Wie geht man damit um, dass man eine bestimmte Person geworden und die Zukunft nicht mehr grenzenlos offen ist? Wie gelingt es, Leichtigkeit zu bewahren? Und wo lassen sich Trost und Versöhnung finden? 

Über diese Fragen spricht die Philosophin Barbara Bleisch, Autorin des Bestsellers Mitte des Lebens – Philosophie der besten Jahre, mit der Schriftstellerin Lucy Fricke, die in ihrem Roman Das Fest einen Mann namens Jakob auf sein Leben zurückblicken lässt. 

Moderation: Florian Werner


20:00-21:30 Uhr
Wohin steuert Europa?
Mit Peter Sloterdijk und Daniel Cohn-Bendit
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Nach dem blutigen 20. Jahrhundert hatte sich Europa, so schien es, aus der Geschichte verabschiedet: Seine Länder schlossen ein loses Bündnis und trieben Handel, aber keinen Krieg. Nun aber gerät Europa von zwei Seiten unter Druck: Die amerikanische Sicherheitsgarantie ist mit Trump fraglich geworden. Und im Osten marschieren Putins Truppen auf. Wird sich Europa enger zusammenschließen, gar eine Weltmacht werden müssen? 

Der leidenschaftliche Europäer und Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hat diese schon vor über zehn Jahren gefordert. Ist nun die Zeit für ein Imperium Europa gekommen? Sein Gesprächspartner Peter Sloterdijk, einer der wichtigsten Philosophen der Gegenwart, hat einen anderen Vorschlag: Die EU als Anstalt zur gegenseitigen Hemmung ist schon heute ein Modell für die Welt: Wir brauchen eng verbundene Kleinstaaten, keine Superstaaten. 

Moderation: Wolfram Eilenberger

 


Philo.live! ist ein Gemeinschaftsprojekt des Philosophie Magazins und der phil.COLOGNE und findet fortan jährlich statt.

Das Festival wird unterstützt durch dm-drogerie markt, die Giordano-Bruno-Stiftung, die Udo Keller Stiftung Forum Humanum und die C.H.Beck Kulturstiftung sowie durch die Medienpartner radioeins (rbb), radio3 (rbb) und den Tagesspiegel.