Like Milking a Stone: Werkstattgespräch mit Maha Maamoun

Filme und Gespräch, Moderation: Stefanie Schulte Strathaus

Wir freuen uns sehr, mit der Künstlerin Maha Maamoun die erste, vom Goethe Institut geförderte, silent green Stipendiatin bei uns im Hause begrüßen zu dürfen. Aus diesem Anlass möchten wir Sie und Euch herzlich am 29. Mai um 19.30h zu einem Werkstattgespräch mit Maha Maamoun ins silent green einladen.

Von der Geschichte des ägyptischen Kinos bis zu Youtube-Videos, von heiligen Schriften bis zu Schundliteratur: Maha Maamoun arbeitet in ihren Werken mit einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen. Sie dienen ihr als Zugangspunkte zu einer Reflexion über den Kitt, der persönliche und nationale Narrative zusammenhält und die Risse, die in ihnen sichtbar werden. Das Werkstattgespräch bringt eine Auswahl ihrer eigenen Videos mit Filmen zusammen, die Referenzen und Ausgangspunkte für Maamouns Arbeiten sind.

Programm

Domestic Tourism II (2008-2009, Ausschnitt 26') ist eine Montage von Leinwandauftritten der Pyramiden von Gizeh in Szenen ägyptischer Filme von den 1950er Jahren bis ca. 2006. Der Film zeigt die sich wandelnde Leinwand-Persona dieser historischen, ikonischen Bauwerke im Verlauf der jüngeren ägyptischen Geschichte.

In 2026 (2010, 9') nutzt Maamoun eine Szene aus Chris Markers berühmter post-apokalyptischer Foto-Story La Jetée (1962) – ein Zeitreisender liegt in einer Hängematte, seine Augen von einer Elektrodenmaske bedeckt – und verbindet diese mit der Narration eines anderen, neueren Zeitreisenden: Das Voice-over entstammt dem Roman Die Revolution von 2053 des ägyptischen Schriftstellers Mahmoud Osman, dessen Hauptfigur von einer dystopischen Vision von Ägypten und dem Pyramiden-Plateau in Gizeh des Jahres 2026 erzählt.

In Night Visitor: The Night of Counting the Years (2011, ca. 9’) begegnen uns unterschiedliche Narrative eines politisch höchst geladenen Ortes und Moments. Der Film zeigt Videos, die von den vielen Männern und Frauen aufgenommen und auf Youtube hochgeladen wurden, die am 5. März 2011 in die Gebäude des ägyptischen Staatssicherheitsdiensts einbrachen. Das mit Handykameras aufgenommene Material offenbart nicht nur die Spuren vergangener Handlungen und Sehnsüchte der früheren Bewohner dieses Ortes, sondern auch den psychologischen Raum und die Koordinaten beider, der Besucher und der Besuchten. Der Untertitel des Videos – The Night of Counting the Years – verweist auf einen Filmklassiker (besser bekannt unter dem Titel Die Mumie), den der ägyptische Regisseur Shadi Abdel Salam 1969 drehte. Damit schlägt der Film mithilfe der Idee der schichtweisen (Ver-)sammlung oder Ausgrabung von Sedimenten persönlicher und kollektiver Geschichte die Brücke von den vor Jahrtausenden in Oberägypten angelegten Katakomben hin zu den Staatssicherheitsgebäuden im Jahr 2011.

Dem gegenüber steht ein Paradies in Form eines Gartens im Al-Azhar-Park, in denen Liebende Worte statt Berührungen austauschen. In Shooting Stars Remind Me of Eavesdroppers (2013, ca. 5’) verwebt Maamoun Tonaufnahmen von Gesprächen im Park mit einer gescripteten Konversation eines Liebespaars. Die Unterhaltung beginnt mit einem indirekten Verweis auf ein Bild aus dem Koran: Die Musen der Poesie, als heimlich Lauschende dargestellt, werden am Zuhören gehindert und mit Sternschnuppen beworfen. Das Gespräch wird dann intimer und kreist neben dem Thema des Belauschens um Fragen von Poesie, Wahrheit, Intimität und Transgression. Auch die Filmemacherin bedient sich Abhörtechniken und bricht in die Privatsphäre anderer ein: Während sie sich im Park durch die Natur treiben lässt, stiehlt sie mit ihrer Kamera private Momente romantischer Begegnungen und schneidet heimlich fremde Gespräche mit.

Maha Maamoun lebt und arbeitet in Kairo. In ihrer künstlerischen Arbeit untersucht sie die Form, die Funktion und den Wert geteilter kultureller visueller und literarischer Bilder. Von diesen ausgehend analysiert sie das kulturelle Gewebe, das von uns gewoben wird und in das wir eingewoben sind. Über ihre Arbeit als Künstlerin hinaus ist sie – meist in Gemeinschaftsprojekten – als unabhängige Kuratorin und Herausgeberin tätig. 2013 war sie Mitgründerin der unabhängigen Publikationsplattform > Kayfa-ta. Sie ist Gründungs- sowie Vorstandsmitglied des > Contemporary Image Collectives (CiC), einem gemeinnützigen Kunst- und Kulturraum in Kairo, der im Jahr 2004 gegründet wurde.

Ihre Arbeiten wurden in Ausstellungen und auf Biennalen präsentiert, darunter The Time is Out of Joint – Sharjah Art Foundation (2016); Century of Centuries – SALT (2015); Like Milking a Stone – Rosa Santos Gallery (2015); The Night of Counting the Years – Fridericianum (2014); Here and Elsewhere – New Museum; Ten Thousand Wiles and a Hundred Thousand Tricks – Meeting Points 7; Forum Expanded – 64. Berlinale; Transmediale; Objects in Mirror are Closer than they Appear, Tate Modern; 9. Gwangju Biennale; Momentarily Learning from Mega Events, Makan, Amman; Second World: Where is Progress Progressing, Steirischer Herbst; The End of Money, Witte de With; 10. Sharjah Bienniale; Mapping Subjectivity, MoMA; Live Cinema, Philadelphia Museum of Art; Ground Floor America, Den Frie Centre of Contemporary Art; The Future of Tradition/The Tradition of Future, Haus Der Kunst.

Das Stipendium wird gefördert durch das Goethe Institut.

Der Abend findet in englischer Sprache statt.

Eintritt frei