Rituals of Wasted Technology

Im Rahmen der Ausstellungsserie Speaking to Ancestors

Künstler: Marco Barotti
Kuratorinnen: Pauline Doutreluingne, Keumhwa Kim

In marktgesteuerten Zyklen geplanter Obsoleszenz werden Kommunikationsprodukte regelmäßig durch bessere, schnellere und intelligentere Nachfolger ersetzt. Fernseher, Satellitenschüsseln, PCs, Smartphones und Antennen werden produziert, verbraucht und landen auf Mülldeponien. Marco Barotti unterbricht diesen Kreislauf, indem er alten Satellitenschüsseln und recycelten Wi-Fi-Antennen ein neues Leben gibt. Er schafft postapokalyptische Landschaften, in denen die Tierwelt als elektronische Nachbildung existiert, wie es Philip K. Dick 1969 in seinem Buch Do Androids Dream of Electric Sheep? beschreibt.

In seinen Installationen bilden Audiotechnologie und Elektroschrott kinetische Skulpturen, die durch von Echtzeitdaten beeinflusste Klänge lebendig werden. Seine Arbeiten schaffen „technische Ökosysteme", die sich realen Tieren oder Pflanzen annähern. In ihren minimalistischen Körpern überschreiten die Daten die Grenzen der Sichtbarkeit und verwandeln sich in fremde und doch auch seltsam vertraut wirkende kinetische Wesen.

In der Kuppelhalle des silent greens präsentiert Marco Barotti eine raumgreifende Klanginstallation bestehend aus APES & SWANS. Beide Spezies beziehen sich symbiotisch aufeinander: APES sind Klangskulpturen aus recycelten Wi-Fi-Sektorantennen, angetrieben von Algorithmen, die die Zahlen des Datenverbrauchs in Echtzeit zeigen: von Facebook-Likes, Google-Suchen, Tinder-Swipes, verbrauchten Internet-Energie, gesendeten E-Mails bis zu Cyber-Angriffen. Durch die Codierung dieser Algorithmen erhalten seine an dem Turm befestigten APES die Fähigkeit, bestimmte Verhaltensmuster, Quasi-Rituale, zu generieren. Barottis SWANs „schwimmen“ dagegen auf einem artifiziellen Teich in der Kuppelhalle. Sie bestehen aus gebrauchten Satellitenschüsseln. Zwei Soundquellen – eine Bassfrequenz und menschlicher Atem –, die durch Blechblasinstrumente strömen, verleihen ihnen ihre Stimme und setzen sie in Bewegung.

Bestimmt von interdisziplinären Forschungen zu Datenwissenschaft, Überwachungskapitalismus, Cyber-Sicherheit, Konnektivität, menschlichem und nicht-menschlichem Verhalten in Kooperation mit den Wissenschaftler*innen vom CASA-Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit an der Ruhr Universität Bochum, stellen Marco Barottis Arbeiten die Frage, ob wir als Gesellschaft bereit sind, so intelligent zu handeln wie die Maschinen, die wir geschaffen haben. Kann die digitale Evolution uns zu einem respektvolleren Umgang mit anderen Arten auf unserem Planeten führen?
 

Vorträge & Roundtable
Sprecher*innen: aLifveForms (cared for by JP Raether), Dr. Asia J. Biega, Prof. Dr. Dorothea von. Hantelmann
Im Rahmen der Ausstellung finden Vorträge von Johannes Paul Raether, Asia Biega und Dorothea von Hantelmann statt, sowie anschließende Roundtable mit dem Künstler Marco Barotti und den Kuratorinnen der Ausstellung Pauline Doutreluingne und Keumhwa Kim. Sie fragen danach, wie sich Technologien auf die Rituale unseres Alltags auswirken und wie sie auf künstlerische Ausstellungspraktiken Einfluss nehmen.


Marco Barotti ist ein in Berlin lebender Medienkünstler. Nach seinem Musikstudium an der Siena Jazz Academy begann er, Sound mit visueller Kunst zu verschmelzen. Barotti hat verschiedenen Stipendien erhalten (u.a BITFOLD Artist in Residence der TU Berlin, Stiftung Kunstfonds, Emap / Emare, SACD und dem Music Board Berlin). Er wurde mit dem NTU Global Digital Art Prize (Clams), dem Tesla Award (Swans) und dem Delux Colour Award (Sound Of Light) ausgezeichnet. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt u.a. auf der Ars Electronica (Linz), Saatchi Gallery (London), Futurium (Berlin), Polytech Festival (Moskau), Fact (Liverpool), Wro Art Center (Wroclaw), Picknick (Seoul), Isea (Montreal), Dutch Design Week (Eindhoven), NTU (Singapur), Würth Museum (La Rioja) Emaf (Osnabrück), Lisboa Soa (Lissabon), La Boral, (Gijón) Nuit Blanche (Brüssel), Platoon (Mexiko-Stadt), Urban Lights Ruhr (Hamm), List í Ljósi (Island) und New Holland (St. Petersburg).

 

Speaking to Ancestors
Die Ausstellung Rituals of Wasted Technology von Marco Barotti findet im Rahmen der von den beiden Kuratorinnen Pauline Doutreluingne und Keumhwa Kim kuratierten Ausstellungsserie Speaking to Ancestors statt. Die zweijährige Programmreihe bildet eine Narration aus sieben aufeinanderfolgenden künstlerischen Positionen, die sich in ihren Arbeiten mit der Suche nach Genealogien und rituellen (Bild)Praktiken beschäftigen, die zwischen verblassten Mythen und tradierter Imagination einen neuen performativen Handlungsraum kreieren. Das Programm kooperiert mit unterschiedlichen Orten in Berlin, die als „Erinnerungsräume“ fungieren; als Orte des Verehrens, Orte der Heilung oder Orte der Andacht. In Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ausstellungsortes sind die Künstler*innen eingeladen, ihre Arbeiten ortsspezifisch neu zu entwickeln.
www.speakingtoancestors.de

Die Ausstellungsreihe Speaking to Ancestors wird freundlich unterstützt von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

 

12.–15. Januar I 12 bis 19 Uhr
Kuppelhalle
Eröffnung: 11. Januar, 18 Uhr 
Vorträge/Roundtable: 14. Januar, 16 Uhr (auf Englisch)
Der Eintritt ist frei