Female to Empower 2023

silent green präsentiert

Die Festivalreihe erzählt kleine und große Geschichten der Musik aus einer feministischen Perspektive und hinterfragt dabei die Machtverhältnisse in der nach wie vor männlich dominierten Musikbranche. Das Festival verknüpft historisch-dokumentarische Rückblicke und filmische Inhalte mit der ganzen musikalischen Bandbreite weiblich gelesenen Schaffens im gegenwärtigen Musikbetrieb.

„Die Leute waren total erschrocken. Denn sie spürten plötzlich die Macht, die von den Frauen ausging. (…) Wir improvisierten unser eigenes Leben, unsere Biografien. Wir ironisierten unsere Situation, pervertierten die Abhängigkeiten, warfen alles hoch in die Luft.“ (Maggie Nichols, Feminist Improvising Group)

Die nunmehr dritte Ausgabe des Festivals widmet sich der musikalischen Improvisation. Welchen Einfluss hatte die Improvisation in den letzten fünf Jahrzehnten – vom Free Jazz und der experimentellen Improvisationsmusik über die DIY-Punkkultur bis hin zur elektronischen Musik – auf die künstlerische und gesellschaftliche Emanzipation von Musiker*innen?

„Improvisation fällt nicht vom Himmel, und wenn Frauen weniger Zugang zu den kulturellen Traditionen haben, auf denen Improvisation wachsen kann, dann ist es schwierig, diese Tradition weiterzuentwickeln, sich gegen sie zu stellen oder sie in der Improvisation zu kritisieren. ‚Weibliche Passivität’ und echte Ohnmacht verhindern die Art von Vertrauen, welche für das Improvisieren so notwendig wäre.“ (Lindsay Cooper, Feminist Improvising Group)

Welche Freiräume konnten sich Musiker*innen bis heute durch die Improvisationsmusik schaffen, um ihren eigenen Sound und ihre eigenen Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln? Und welche strukturellen Defizite und Ausschlüsse dauern fort? Welche Lösungsansätze lassen sich dafür finden?

Um ein möglichst umfangreiches Bild zu zeichnen, bringt Female to Empower Musiker*innen, All-Female*-Bands und Netzwerk-Aktivist*innen verschiedener Generationen und unterschiedlichster musikalischer Milieus zusammen. Panels und Gespräche, Live-Konzerte und ein dokumentarisches Filmprogramm tauchen tief in die Biografien und Arbeitswelten der beteiligten Musiker*innen ein und eröffnen einen spannenden Dialog mit dem Publikum.
 

Programm
 

14.10.

16:30 Uhr Einlass
17 Uhr Filmvorführung: Stories from the She-Punks (Gina Birch & Helen Reddington, UK 2018, 45')
18 Uhr Konzert: Farida Amadou
19 Uhr Talk: The HERstory of Female Improvisation Music
              Mit Farida Amadou, Gina Birch & Lesley Woods, Moderation: Luise Vörkel
20 Uhr Konzert: Gina Birch (The Raincoats)
21 Uhr Konzert: Lesley Woods (Au Pairs)

15.10.

17:30 Uhr Einlass
18 Uhr Konzert: Violeta García
19 Uhr Konzert: Elsa M’bala aka AMET + Ale Hop
20 Uhr Talk: Improvising Female Future Sounds 
              Mit Elsa M'bala, Ale Hop, Contagious und Violeta García, Moderation: Aida Baghernejad
21 Uhr Konzert: Contagious (Andrea Neumann, Sabine Ercklentz, Mieko Suzuki)
22 Uhr Filmvorführung: Ever Deadly (Chelsea McMullan & Tanya Tagaq, Kanada 2022, 89’)

 

Ale Hop
Alejandra Cárdenas Pacheco (auch bekannt als Ale Hop) ist eine in Peru geborene Künstlerin, Forscherin und experimentelle Musikerin, die in Berlin lebt. Ihr Werk umfasst Live-Shows, Plattenveröffentlichungen, Klang- und Videokunstwerke, Forschungen zu Klang und Technologie sowie Originalmusik für Film-, Tanz- und Theaterprojekte. Ale Hop begann ihre Karriere in den 2000er Jahren in der experimentellen und Underground-Szene Limas. Nachdem sie mehrere Jahre in verschiedenen Pop- und Elektronikbands mitgewirkt hatte, startete sie 2012 schließlich ihr Soloprojekt, nachdem sie im Boiler Room zum ersten Mal alleine aufgetreten war. Die in ihren Alben und Stücken behandelten Themen sind stets von ihrem akademische Forschungshintergrund geprägt.

Contagious
Das Trio Contagious wurde von zwei innovativen Stimmen aus der Berliner Improvisationsszene (Andrea Neumann und Sabine Ercklentz) und der Klangkünstlerin und Komponistin Mieko Suzuki, gegründet. Contagious ist eines der aufregendsten Projekte in der elektronischen Musikszene. Andrea Neumann wendet auf ihrem selbst entwickelten, transportablen Inside Piano Rückkopplungsprozesse auf einfache Klaviersaiten an und schickt sie mitunter in Mieko Suzukis Processing-Rig, wo sie ihre eigenen voraufgenommenen Klänge und ihre Fähigkeiten an den Turntables einsetzt, während Sabine Ercklentz' Trompetensounds durch dasselbe Processing-System schießen. Gemeinsam kommunizieren die drei Musikerinnen in kompositorischen Logiken und futuristischen Strukturen, in denen fragile Klangtexturen und -impulse monumental werden. Neumann, Ercklentz und Suzuki interagieren wie ein Lebewesen, das binäre Gegensätze transzendiert und im besten Sinne des Wortes ambivalent ist: sehr rätselhaft und sehr lebendig.

Elsa M’bala
Elsa M'bala alias A.M.E.T. ist eine Klangkünstlerin, die Live-Podcasts als eine Mischung aus DJing und Live-Radiosendungen macht, in denen Feldaufnahmen und Interviews live mit einem Publikum geteilt werden. A.M.E.T.s musikalische Reise und ihre Reflexionen über Herkunft, kulturellen Hintergrund, Geschlecht und Spiritualität stellen Vorurteile darüber in Frage, wie die Musik einer Person aufgrund ihrer Herkunft klingen sollte. Ihre Praxis bricht mit westlicher klassischer Musik, indem sie grafische Partituren erstellt, die es ihr ermöglichen, Halbtöne einzubeziehen, wie es in nicht-westlicher Musik üblich ist. Durch den Einsatz von Technologie verstärkt sie ihre einzigartige Stimme und thematisiert Narrative der Inklusion und Sichtbarkeit.

Farida Amadou
Farida Amadou ist eine autodidaktische Bassistin, die in Belgien lebt. Der E-Bass ist seit 2011 ihr Hauptinstrument. Im Jahr 2013 begann sie, viele verschiedene Musikgenres zu spielen, darunter Blues, Jazz und Hip-Hop. Bald begann Farida, sich mit improvisierter und experimenteller Musik zu beschäftigen, und wurde schnell von lokalen Kollektiven und Musikern entdeckt. Nach einem Jahr (2018) als Bassistin in der belgischen Punkband Cocaine Piss beschloss sie, sich auf ihre Praxis und ihre Zusammenarbeit mit Musiker*innen wie Thurston Moore, Peter Brötzmann, Julien Desprez, Jerusalem in My Heart und Moor Mother zu konzentrieren.

Gina Birch
Gina Birch, seit 1977 eine Hälfte des Kernduos der Raincoats, ist eine Punk-Ikone mit Pop-Sensibilität, eine Abenteurerin mit Kunstausbildung, die seit über 45 Jahren nach ihren eigenen Regeln malt, filmt und auftritt - sie nutzt ihre visuelle Kunst, um Geschichten zu erzählen, und lädt Rohaufnahmen mit Konzepten auf. Ihre Geschichte fließt in ihrem ersten Soloalbum I Play My Bass Loud zusammen. Sie will sich nicht zurückhalten oder eine Nebenrolle spielen und steht jetzt im Mittelpunkt des Geschehens. Es ist ein starkes Konzept der Verweigerung und des Handelns: als Frau in den 60ern in der Musikkultur, die sie mitgestaltet hat, ihren Platz abzustecken und für sich selbst zu definieren, was es jetzt bedeutet, als Künstlerin voranzukommen.

Lesley Woods
Lesley Woods, die als eine der markantesten Frauen des britischen Rock bezeichnet wird, war von 1978 bis zu ihrer Auflösung 1983 Frontfrau der bahnbrechenden britischen Band The Au Pairs. Zusammen mit ihren musikalischen Zeitgenossen wie der Gang of Four, den Slits, den Bush Tetras, den Raincoats und Joy Division wagten sie es, die Mentalität der Post-Punk-Generation mit Liedern zum Ausdruck zu bringen, die die sexuelle und andere Politik der Zeit in Frage stellten und sie in straffe, mitreißende, tanzbare Songs verwandelten. Ihr erstes von drei Alben Playing with a Different Sex (1981) gilt als ein Post-Punk-Meisterwerk. Im Jahr 2023, nach 30 Jahren als Anwältin für Einwanderungsrecht, kehrt Lesley Woods zurück auf die Bühne. Mit ihrer einzigartigen Bühnenpräsenz nutzt Lesley Woods die Jahre zu ihrem Vorteil und vermischt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu etwas völlig Modernem und Progressivem, das euer Herz erwärmen und euch zum Tanzen bringen wird.

Violeta García
Violeta García ist eine Cellistin, Komponistin, Improvisatorin und Kuratorin aus Argentinien, die in der Schweiz lebt. Mit ihrem zeitgenössischen und experimentellen Repertoire für Violoncello und elektronische Musik arbeitet sie medienübergreifend in einer Vielzahl von künstlerischen Formen, u.a. der freien Improvisation. Ihr digitales Label und die gleichnamige Musikreihe TVL-REC widmet sich der Veröffentlichung neuer Musik, experimentellen Gruppen und Kollektiven aus Lateinamerika und anderen Ländern sowie der Durchführung von Musikreihen und Festivals für Noise und extreme Musik in Lateinamerika und Europa. Sie hat mehr als 50 Alben in verschiedenen Editionen veröffentlicht. In den letzten Jahren tourte sie durch die ganze Welt.

 

Talks


The HERStory of Female Improvisation Music
Mit Farida Amadou, Gina Birch & Lesley Woods
Moderation: Luise Vörkel

Erst 1977 entstand mit der „Feminist Improvising Group“ in England ein reines Frauen-Projekt in der improvisierten Musik. Zeitgleich wurde durch die Punk-Bewegung musikalische Improvisation zum Teil einer politischen und sozialen Emanzipation. Emanzipierten sich die Musiker*innen dieser unterschiedlich Musikwelten nur zufällig zur selben Zeit oder war es das Ergebnis einer längst überfälligen Entwicklung? Gina Birch (The Raincoats) und Lesley Woods (Au Pairs) werden darüber berichten, welche Impulse dazu führten, sich selbstbestimmt der eigenen Ausdrucksmacht bewusst zu werden. Farida Amadou, souverän zwischen den Genres Improvisationsmusik und Post-Punk wandelnd, wird aus ihrer Perspektive ergänzen, welche Relevanz dies für sie als Musikerin einer jungen Generation hatte.

Luise Vörkel
Luise Vörkel ist Kulturjournalistin in Berlin. Als freie Autorin hat sie über Pop, Feminismus und Gesellschaft u. a. für Deutschlandfunk, Missy Magazine, ByteFM und im Band „These Girls“ berichtet. Aktuell ist sie Teil der Redaktion von ARTE Tracks East.

 

Improvising Female Future Sounds
Mit Ale Hop, Contagious (Andrea Neumann, Sabine Ercklentz, Mieko Suzuki), Elsa M’bala & Violeta García
Moderation: Aida Baghernejad

Die Improvisationsmusik hat viele Ausdrucksformen angenommen, die nicht mehr nur einem Musikgenre zuzuordnen sind. Weltweit haben junge Musiker*innen speziell das Potential der elektronisch-experimentellen Musik für sich entdeckt. Welche Relevanz hat heute noch die Improvisationsmusik für Musiker*innen auf der Suche nach einem eigenen künstlerischen Ausdruck? Bietet die Vielfalt der improvisierten Musik ihnen ausreichend neue Freiräume oder bedarf es weiterhin eines Ausbaus von Netzwerken, um die Weitergabe von Ressourcen, Wissen und Erfahrung auf allen Ebenen zu fördern? Darüber diskutieren mit Ale Hop, Andrea Neumann, Elsa M’bala, Mieko Suzuki, Sabine Ercklentz und Violeta García arrivierte Musiker*innen der experimentellen, elektronischen Improvisationsmusik.

Aida Baghernejad
Aida Baghernejad ist freie Journalistin. Sie schreibt auf Deutsch und Englisch für allerlei regionale, überregionale und internationale Publikationen über Musik und Essen. Manchmal auch über beides gleichzeitig, meistens allerdings vor allem über das Politische im Sound, auf der Bühne oder dem Teller.

 

Filmvorführungen


Stories from the She-Punks (Gina Birch & Helen Reddington, UK 2018, 45’)
Stories from the She Punks: Music with a Different Agenda ist ein Dokumentarfilm, der sich auf Frauen konzentriert, die in der Punk-Ära von 1976 bis in die frühen 1980er Jahre elektrische Instrumente kauften und zu spielen begannen, mit dem Ziel, Bands zu gründen. Mit viel Witz und Energie erzählen die Frauen von ihren Inspirationen, ihren Freuden und den weniger erfreulichen Momenten. Der Film besteht ausschließlich aus Interviews, jedoch sind die Geschichten der Frauen so lebendig, dass sie uns an andere Orte und in andere Zeiten versetzen. Der Film wurde in unabhängigen Kinos im gesamten Vereinigten Königreich, sowie auf internationalen Festivals, Events, Universitäten und Konferenzen gezeigt. Mit Gina Birch & Ana Da Silva (The Raincoats), Hester Smith & Rachel Bor (The Dolly Mixtures), Shanne Bradley (The Nips), Gaye Black (The Adverts), Palmolive & Liv Albertine (The Slits), Jane Munro (The Au Pairs), Helen McCookerybook (The Chefs) u.a.


Ever Deadly (Chelsea McMullan & Tanya Tagaq, Kanada 2022, 89’)
Der Dokumentarfilm Ever Deadly ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der avantgardistischen Inuk-Kehlkopfsängerin Tanya Tagaq und der preisgekrönten Filmemacherin Chelsea McMullan und bietet ein mitreißendes, immersives Musik- und Kinoerlebnis. Der Film erforscht Tagaqs Transformation des Klangs und wirft zugleich einen Blick auf die Folgen der Kolonialisierung, die Freiheit der Natur und die kanadische Geschichte. Wir sehen Tagaqs innige Beziehung zu Nuna – dem Land – einem lebenden, atmenden Organismus, der in allen Formen ihrer improvisierten Performances präsent ist. Ever Deadly verwebt Konzertaufnahmen mit atemberaubenden Sequenzen, die vor Ort in Nunavut gefilmt wurden, und schlägt so nahtlos eine Brücke zwischen Landschaften, Geschichten und Liedern, die von Schmerz, Wut und Triumph geprägt sind.

Ever Deadly wird vom National Film Board of Canada (NFB) produziert und vertrieben.

 

Samstag, 14. + Sonntag, 15. Oktober 2023
Kuppelhalle
Tickets

 

Ein Projekt der silent green Film Feld Forschung gGmbH.
Gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.
    

Präsentiert von
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