BLACK LAND, RED LAND – RESTITUTE

Das interdisziplinäre Festival BLACK LAND, RED LAND – RESTITUTE  geht kritisch musealen und institutionellen Dispositiven auf den Grund und nähert sich künstlerisch und diskursiv ausgewählten Artefakten und Erzählungen aus den „Besitzen“ der Ägyptischen Museen in Berlin, Deutschland und Turin, Italien. Die im Team und mit Künstler*innen erarbeiteten Ansätze werden an vier Tagen im Dezember, vom 21.– 28.12.2023 im silent green, Kunstquartier Bethanien, Palais am Festungsgraben und im öffentlichen Raum mit den Zuschauer*innen geteilt und diskutiert.

Die imperialen wissenschaftlichen Expeditionen nach Ägypten im 19. Jahrhundert dienten der europäischen Erschließung des afrikanischen Kontinents, dies betrifft sowohl die Dokumentation und die Vermessung des Landes, als auch die Akquise kultureller Entitäten. Die Expeditionen stehen im Kontext der kolonialen Eroberungsfeldzüge seit dem 16. Jahrhundert und übertrugen eigene Formen des Wissens und Lebens in außereuropäische Territorien. Kulturelle und spirituelle Artefakte, Teile von religiösen Stätten und menschliche Überreste wurden in der Folge ebendieser „Abenteuer“ aus den Ländern ausgeführt. Sie sollen an verschiedenen Orten Europas, in Deutschland, Italien, Frankreich (und anderen Teilen der Welt), als Zeugen der Erschließungen die neu entstehenden Museen als Zentren der Präsentation und Wissensproduktion füllen. Die sich zu diesem Zeitpunkt ausdifferenzierenden Wissenschaften erfanden die Bedeutungen dieser Artefakte und stellten diese als „Objekte“ ihrer Verfügung zur Schau. Die Museen erklärten sich zu universalistischen Verwaltern eines „Weltkulturerbes“ der Menschheit. Sie gruppierten die ausgeführten Artefakte ihrem Selbstverständnis folgend zu „Sammlungen“ und präsentierten diese nach eigenen Vorstellungen. Bis heute hat nur ein kleiner Bruchteil der „Menschheit“ Zugang zu den europäischen Museen und weite Teile der sogenannten Herkunftsgesellschaften haben die kulturellen und spirituellen Artefakte ihrer Vorfahren nie besuchen können.

Die seit einigen Jahren öffentlich geführte Debatte um Restitution, also um die Rückgabe der Artefakte an die Länder ihrer Herkunft, sofern sie denn dialogisch geführt wird, zeigt die Komplexität der Situation. Wer entscheidet anhand welcher Kriterien über die Rückgaben? Wohin genau wird restituiert? Welche Gründe werden angeführt? Wer ist – damals wie heute – von dem Gespräch ausgeschlossen? Und dient die Diskussion nicht auch dazu, die (post)kolonialen Wissens- und Machtsysteme zu legitimieren? Wer schreibt die Geschichten? Und was wird damit überschrieben, immer und immer wieder von Neuem? Wovon sprechen die Werke, die zur “Katastrophischen Kunst” (“Catastrophic Art”, Fazil Moradi) wurden?

Die künstlerisch-diskursive Suche nach ausgelöschtem und nicht verfügbarem Wissen bezieht die musealen Archive mit ein und geht über sie hinaus. Die Institutionen sind auch Räume, die von der absoluten Verwertbarkeit des Lebens künden. Lässt sich eine gemeinsame Vision für die Artefakte und Entitäten jenseits nationalstaatlicher Grenzen, für ihre Spuren und Geschichten imaginieren? Und kann diese in die Zukunft tragen, dies- und jenseits des Todes?

Die künstlerischen Beiträge des Festivals sind Neu-Produktionen und beschäftigen sich mit alt-ägyptischen Entitäten, Mythologien des nicht-westlichen Altertums oder erforschen das Verhältnis von sozialem Raum, Zugehörigkeit und Gemeinschaft.
Im diskursiven Teil werden verschiedene Argumentationsmuster und Handlungsweisen musealer Einrichtungen sowohl aus historisch-kritischer als auch aus praktischer Hinsicht diskutiert. Das Festival schließt mit einer Gesprächsrunde, die Ausblick in die gemeinsame Zukunft anhand des Themas “Gedenken” gibt.

Mehr unter: www.blackland.berlin
 

Programm im silent green

Donnerstag, 21. Dezember
Postkoloniale Kritik: museale Sammlungen, kulturelles Erbe und Nefertiti


Der erste Tag des diskursiven Programms widmet sich der postkolonialen Kritik der sogenannten "Sammlungen” der europäischen Museen und diskutiert anhand u.a. “Katastrophischer Kunst” und der sich in Berlin befindenden Büste der Nofretete die Bedeutungen von Provenienzen, Leerstellen in der medialen Debatte um mögliche Restitutionen und den Stellenwert des sogenannten “Weltkulturerbes”.

15 Uhr Fazil Moradi zu “Catastrophic Art”
15:20 Uhr Monica Hanna zu “Nefertiti”
15:40 Uhr Nora Al-Badri zu ihrer künstlerischen Arbeit (“The Other Nefertiti” und anderen)

16:30 Uhr Diskussion mit Fazil Moradi, Nora Al-Badri, Sarah Imani, Leontine Meijer-van Mensch, moderiert von Yunus Ersoy


Freitag, 22. Dezember
Postkoloniale Realitäten: Beiträge aus der Praxis


Kritische Beiträge aus der künstlerischen und (stadt-)verwalterischen Praxis stehen am zweiten Tag im Vordergrund. Wie genau sind die postkolonialen Realitäten verfasst, in denen sich Künstler*innen mit ihren Interessen bewegen? Welche Erfahrungen lassen sich aus der Antidiskriminierungsarbeit fruchtbar machen? Gibt es einen möglichen gemeinsamen Weg der Zusammenarbeit mit Museen und Institutionen?

15 Uhr Yara Mekawei zu “Sistrum”, einer Komposition für Nofretete
15:20 Uhr Elena Sinanina zu der “Widmung an Sakhmet”
15:40 Uhr Saraya Gomis zu ministerialer Antidiskriminierungsarbeit

16:30 Uhr Diskussion mit Yara Mekawei, Elena Sinanina, Johannes Auenmüller, Saraya Gomis, moderiert von Oliver Baurhenn



Interdisziplinäres Festival
Donnerstag 21.+ Freitag, 22. Dezember
Einlass: 14:30 Uhr / Beginn 15 Uhr
Kuppelhalle
Tickets



Das Projekt BLACK LAND, RED LAND – RESTITUTE wird gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Kooperation mit der Initiative BLACK LAND e.V., dem Studio Babelsberg, dem Kunstraum Kreuzberg und dem silent green Kulturquartier. Mit freundlicher Unterstützung des Collegium Hungaricum Berlin.


Initiative BLACK LAND e. V.
Der im Februar 2023 gegründete Verein Initiative BLACK LAND e.V. widmet sich, ausgehend von den Themen des künstlerischen Projektes BLACK LAND in 2022, den Geschichten des Altertums und ihren Deutungen sowie der Umsetzung in interdisziplinäre Kunst-Projekte. Die Fragen von Identität, Teilhabe, Solidarität und Verwertung führen notwendigerweise in eine Beschäftigung mit postkolonialen Gegenwarten und ihren Narrativen. Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die Organisation und Durchführung von künstlerischen Veranstaltungen, Festivals, Diskussionsrunden und künstlerischen Forschungsvorhaben, die Vergabe von künstlerischen Aufträgen, Herausgabe von Schrifterzeugnissen und Dokumentationen, die Förderung von öffentlichen Debatten und den Aufbau und die Pflege eines thematisch arbeitenden internationalen Netzwerks. Der Verein arbeitet dabei mit internationalen Partner*innen, Förderern und Institutionen (Museen, Forschungseinrichtungen, Stiftungen u.a.) zusammen. Elena Sinanina und Yara Mekawei bilden den Vorstand des Vereins.