Symposium

Situierte Geschichten: Das kleine Fernsehspiel in der Welt

Das Symposium Situierte Geschichten die vielfältige Rolle der deutschen Fernsehförderung bei der Entwicklung von Netzwerken und Infrastrukturen des Filmschaffens in ausgewählten internationalen Kontexten untersuchen. Im Laufe seiner 60-jährigen Geschichte wurde Das kleine Fernsehspiel, eine Redaktion des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), zu Recht in Deutschland und international für seine entscheidende Rolle bei der finanziellen Unterstützung innovativer Erzähl- und Dokumentarfilme junger und aufstrebender Filmemacher*innen gefeiert, deren Erst- oder Zweitfilme oft dank deutscher Fernsehförderung entstanden sind. Die Produktionsgeschichte der Arbeiten des Kleinen Fernsehspiels zeugt davon, dass ihr Engagement nicht an Ländergrenzen gebunden war.

Obwohl die Redaktion eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Neuen Deutschen Kinos in den 1960er und 1970er Jahren, des deutschen feministischen Kinos in den 1970er und 1980er Jahren, des türkisch- und kurdisch-deutschen Kinos der 1980er bis 2000er Jahre und der sogenannten Berliner Schule spielte, hat sie sich in den 1990er und 2000er Jahren auch über Deutschland hinaus immer wieder auf die Suche nach Filmemacher*innen mit vielversprechenden neuen Projekten gemacht, die thematisch und ästhetisch die Grenzen des zeitgenössischen Filmschaffens verschieben. Die deutsche Fernsehförderung hat so zur Produktion so bedeutender internationaler Filmemacher*innen beigetragen, wie Valeria Sarmiento und Raul Ruiz (Chile);
Yeşim Ustaoğlu (Türkei); Charles Burnett, Haile Gerima, Jim Jarmusch, Yvonne Rainer (USA); Elia Suleiman (Palästina/Israel); Safi Faye (Senegal); Jean-Merie Téno (Kamerun); Mani Kaul (Indien); Merzak Allouache (Algerien); Andrzej Wajda (Polen); John Akomfrah und Stephen Dwoskin (Großbritannien); Atteyat Al Abnoudi (Ägypten); und Rithy Panh (Kambodscha).


Das Symposium Situierte Geschichten: Das kleine Fernsehspiel in der Welt nimmt ausgewählte Filme aus der Geschichte des Kleinen Fernsehspiels als Ausgangspunkt für eine Diskussion transnationaler Perspektiven auf Filmproduktion, -vertrieb und -präsenta- tion. Wir werden die Filmförderung durch das Fernsehen als Teil einer umfassenderen Praxis der deutschen Kulturdiplomatie betrachten und beispielsweise die Rolle des Goethe-Instituts bei der Förderung der Filmkultur an verschiedenen Orten untersuchen. Das Symposium ist inspiriert vom 60-jährigen Jubiläum des Kleinen Fernsehspiels. Der Umfang unserer Gespräche wird sich jedoch nicht auf diese oder andere deutsche Sender bzw. Redaktionen beschränken, sondern auch verwandte Modelle öffentlich- rechtlicher Fernsehfilmproduktion thematisieren, darunter beim deutsch-französischen Kultursender ARTE.

Englischsprachiges Symposium organisiert von Alexandra Schneider und Marc Siegel, Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz


Samstag, 18.+ Sonntag, 19. November
Betonhalle
Die Teilnahme ist kostenlos. Um vorherige Anmeldung wird gebeten. Anmeldung hier

 

Programm


Samstag, 18.11.
 

ab 9:30 Türen geöffnet

10:00 Begrüßung / Eröffnungsrede      
     
Alexandra Schneider, Marc Siegel, Fabian Kling (Mainz)

10:30 Contact Zones
Elisabeth Ramírez-Soto: Das kleine Fernsehspiel als Contact Zone: Begegnungen mit dem lateinamerikanischen Kino
Nikolaus Perneczky: Safi Faye’s Man sa yay (1980): Migratory Filmmaking mit und gegen deutsche Koproduktion
Moderation: Alexandra Schneider (Mainz)

Elizabeth Ramírez-Soto ist Assistenzprofessorin an der Fordham University. Ihre Forschungsschwerpunkte sind feministische Filmgeschichte, transnationale Film- und Medienpraktiken und Dokumentarfilm. Sie ist die Autorin von (Un)veiling Bodies: A Trajectory of Chilean Post-Dictatorship Documentary (Legenda, 2019). Derzeit arbeitet sie an einem Buch über Transnationales Experimentalfernsehen: The Global South on European Screens.

Nikolaus Perneczky ist ein Leverhulme Early Career Fellow an der Queen Mary University of London, wo er an dem Postdoc-Projekt Restitution and the Moving Image: Decolonising Global Film Heritage (2022-2025) arbeitet. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehört ein Artikel in Black Camera über die vergangenen Zukünfte des afrikanischen Kinos (2022). Er arbeitet außerdem an einer Monografie mit dem Titel Against Development: African Cinema as Worldmaking (Oxford University Press).

 

Kaffeepause

12:00 Encounters                                                
Barbara Wurm: Ost . Europa . Adé
Boukary Sawadogo: Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) in afrikanischen Kinos: Die Burkina-Schule nach den 1980er Jahren und darüber hinaus
Moderation: Stefanie Schulte Strathaus (Berlin)

Barbara Wurm ist eine österreichische Autorin, Kuratorin und Wissenschaftlerin. Nach ihrer Ausbildung in Slawistik forschte sie in den Bereichen osteuropäische Avantgarde, (post-) sowjetisches Kino und osteuropäische Kulturstudien. Ihre Veröffentlichungen konzentrieren sich auf Dsiga Wertow und die Geschichte des russischen und sowjetischen Films. Nach jahrzehntelanger Arbeit als Programmerin auf Festivals ist sie seit kurzem Leiterin der Sektion Forum der Berlinale.

 

Boukary Sawadogo ist Professor für Filmwissenschaft an der City University of New York. Seine Forschungsschwerpunkte sind das afrikanische Kino und das afroamerikanische Kino. Er ist der Autor von vier Büchern über das afrikanische Kino, darunter African Film Studies: An Introduction. Second edition (2022), West African Screen Media: Comedy, TV Series, and Transnationalization (2019), African Film Studies: An Introduction (2018) und Les cinémas francophones ouest-africains, 1990-2005 (2013).

13:15 Mittagessen

14:45 Speculations
Özgür Çiçek: Die Vermittlung von persönlichen und transnationalen Geschichten initiieren: Deutsch-kurdische Filmproduktionen mit dem ZDF – Das kleine Fernsehspiel
Cecilia Valenti: Be Hard on Heroes: Feministische spekulative Geschichtsschreibung im Late-Night-Fernsehen
Moderation: Sezen Kayhan (Mainz)

Özgür Çiçek ist Filmwissenschaftlerin und lebt derzeit in Berlin. Sie erhielt ihren Doktortitel von der Binghamton University. Ihre Forschungsinteressen umfassen nationale/transnationale, minderjährige und migrantische Filme, Erinnerungsstudien und Dokumentarfilmproduktion. Sie hat zwei Bücher in Vorbereitung: Kurdish Cinema in Turkey: Imprisonment, Memory, and the Archive und einen Sammelband mit dem Titel Audiovisual Healing and Recuperation: Resilience through Mediated Troubles.

Cecilia Valenti ist Filmwissenschaftlerin und Kuratorin. Sie ist Juniorprofessorin für Film- und Medienwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Dissertation Das Amorphe im Medialen: Zur politischen Fernsehästhetik im italienischen Sendeformat „Blob“ wurde 2019 veröffentlicht. Derzeit arbeitet sie an der Geschichte italienischer militanter audiovisueller Archive, feministischer kollektiver Filmpraktiken und der Politik des globalen Filmerbes.

Kaffeepause

16:30 Moments
Ömer Alkin: Die Vision subalterner Phantasien: Postmigratory Film(machen) und das ZDF – Kleines Fernsehspiel
Rachel Garfield: Behindert: Ein entscheidender Augenblick
Moderation: Alejandro Bachmann (Köln)

Ömer Alkin ist Professor für Angewandte Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Hochschule Niederrhein und Leiter des DFG-Forschungsprojekts Aesthetics of Occidentalism (2020-2024). Zu seinen Publikationen gehören Postmigrant Memory Culture and Media History. The Figure of the Migrant in Turkish Cinema (2020) und Die visuelle Kultur der Migration. Geschichte, Ästhetik und Polyzentrierung des Migrationskinos (2019).

Rachel Garfield ist Künstlerin, Autorin, Kuratorin und Professorin für Bildende Kunst am Royal College of Art in London. Sie war leitende Forscherin des Projekts The Legacies of Stephen Dwoskin’s Personal Cinema (AHRC finanziert, 2018-2022). Sie ist Mitherausgeberin von Dwoskino: The Gaze of Stephen Dwoskin, LUX, (2022) und Autorin von Experimental Film Making and Punk: Feminist Audio-Visual Culture of the 1970s and 1980s (2022). Garfield hat zahlreiche Publikationen über linsenbasierte Arbeit, Identitätspolitik und Feminismus veröffentlicht.


Sonntag, 19.11.


ab 9:30 Türen geöffnet

10:00 Confrontations

Merv Espina: Media Encounters, kulturelle Konfrontationen
Rasha Salti: Fenster, Türen und Portale: Bildschirme und Cinephilie
Moderation: Marc Siegel (Mainz)

Merv Espina ist ein in Las Piñas, Metro Manila, ansässiger Künstler und Forscher, dessen Praxis die Hohlräume systemischer Verzerrungen und historischer Fehlentwicklungen in der Medien-, Wissens- und Kulturproduktion auslotet und die Netzwerke und Organismen untersucht, die durch sie entstanden sind. Sein laufendes Forschungsprojekt, Media Encounters, wird seit 2022 vom documenta Institut mit dem documenta archiv und der Zentrale des Goethe-Instituts in München unterstützt. Derzeit ist er Mitglied der Akademie der Künste der Welt in Köln.

Rasha Salti ist Forscherin, Autorin und Kuratorin für Kunst und Film. Seit 2017 ist sie Auftragsredakteurin für das experimentelle Dokumentarfilmprogramm La Lucarne bei Arte France.

Kaffeepause

11:30 Perspectives
Deniz Göktürk & Gertrud Koch
Moderation: Alexandra Schneider, Marc Siegel

Deniz Göktürk ist Professorin am Deutschen Institut an der University of California, Berkeley. Sie ist eine der führenden deutschsprachigen Forscherinnen, die sich mit dem Komplex Kino und Migration im Allgemeinen und dem sogenannten deutsch-türkischen Kino im Besonderen beschäftigen. Zu ihren Forschungsgebieten gehören auch Medientheorie und -geschichte vom frühen Kino bis zu digitalen Archiven sowie Regime der Mobilität, des Multikulturalismus und des Nationalismus.

Gertrud Koch ist emeritierte Professorin für Filmwissenschaft an der Freien Universität Berlin und seit 2011 Visiting Professor an der Brown University, USA. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Grenzen politischer und historischer Repräsentation, Bild- und Filmtheorie, Technoästhetik sowie die Philosophie von Kunst und Film. Für ihre filmwissenschaftlichen Arbeiten und ihren Einfluss auf die Filmkultur wurde sie 2019 mit dem Ehrenpreis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet.


Moderator*innen

Alejandro Bachmann ist Kulturarbeiter mit den Schwerpunkten Vermittlung, Schreiben über Film und Gestaltung von Filmprogrammen. Er ist Professor für Filmgeschichte und -theorie an der Kunsthochschule für Medien Köln und künstlerischer Leiter des internationalen Filmbildungsprojekts Encounter RWF des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums (DFF). Er war Mitglied der Auswahlkommission bei Festivals wie der Diagonale und der Duisburger Filmwoche.

Fabian Kling ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes Gutenberg– Universität in Mainz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind digitale Methoden und Dramaturgien, Datenvisualisierung, Live-Übertragungen und Mediensport. Ein Artikel über digitale Geschichtsschreibung und das historische Filmexil ist in Vorbereitung.

Alexandra Schneider ist Professorin für Film- und Medienwissenschaft an der Johannes–Gutenberg-Universität in Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind kritische Filmgeschichtsschreibung, Medienarchäologie und Formatstudien. Sie ist Mitherausgeberin von Format Matters: Standards, Practices, and Politics in Media Cultures (2020).

Stefanie Schulte Strathaus ist Filmwissenschaftlerin und künstlerische Leiterin des Arsenal – Institut für Film und Videokunst, wo sie seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet. Von 2001-2019 war sie Mitglied des Auswahlkomitees des Berlinale Forums. Gemeinsam mit Anselm Franke rief sie 2006 das Forum Expanded ins Leben, das sie bis 2020 leitete. Zuletzt etablierte sie die Archivarbeit als einen wesentlichen Arbeitsbereich des Arsenals und nannte sie „Lebendiges Archiv“.

Marc Siegel ist Professor für Filmwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Queer Studies und Experimentalfilm. Sein Buch A Gossip of Images ist in Vorbereitung (2024). Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehört der gemeinsam herausgegebene Band Serge Daney and Queer Cinephilia (2023). Er ist Mitglied der Akademie der Künste der Welt in Köln und des Berliner Kunstkollektivs CHEAP.