Filmgespräche und Abendveranstaltungen
In einem temporären TV Studio innerhalb der Ausstellung finden täglich Filmvorführungen mit Gesprächen statt. Zudem wird es ein Panel zur Redaktionsgeschichte des Kleinen Fernsehspiels und eines zu Modellen der öffentlichen Zugänglichmachung der Rundfunkarchive sowie die Performance CHEAP & XIU XIU TV LIVE vom CHEAP Art Collective geben.
Filmgespräche
To Show Or Not To Show: Standpunkt der Aufnahme (Jana Keuchel & Katharina Knust 2023)
To Show or not to Show ist ein filmisches Experiment von Jana Keuchel und Katharina Knust, bei dem Filmschaffende aus 60 Jahren Kleines Fernsehspiel sowohl ihre eigenen Werke als auch die Werke anderer kommentieren und analysieren, ohne dabei jemals im selben Raum zu sein. „Die Protagonist*innen geben dabei persönliche Antworten und eröffnen dem Publikum eine vielfältige und tiefgründige Perspektive auf das Sich-Zeigen und Gesehen-Werden in der Filmwelt“, schreiben die Filmemacherinnen. Es sind Menschen diverser Herkunft, die in diesem Film zusammenkommen: unterschiedliche Generationen, kulturelle Prägungen und Ansichten über das Filmemachen treffen in einem Studio, das einer Versuchsanordnung gleicht, aufeinander. Wir übertragen die Versuchsanordnung auf die temporäre Bühne des silent green und lassen den Film weiterlaufen.
To Show or not to Show | Jana Keuchel & Katharina Knust | 2023 |103 Min.| dt. Originalfassung
Gäste: Jana Keuchel, Katharina Knust, Mehmet Akif Büyükatalay, Maya Constantine, Angelika Levi, Jutta Brückner, Sarah Blaßkiewitz
Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Filmvorführung mit Gespräch in deutscher Sprache
18.11. I 20 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Systemsprenger: Aufstand der Kinder (Nora Fingscheidt, 2019)
Die neunjährige Benni ist laut, wild, unberechenbar. Sie bringt das Hilfesystem des Sozialstaates an seine Grenzen. „Wie soll ein Kind, dessen einzige Kontinuität der Wechsel ist, irgendwo Halt finden?“, fragt Regisseurin Nora Fingscheidt, Bennis Verhalten mag schockieren, doch die Zuschauer sollen sie lieben und um sie fürchten.“ Darstellerin Helena Zengel gelingt das im Film Systemsprenger mit so einer Wucht, dass die Frage im Raum steht, ob ein Kind das System sprengt oder umgekehrt. Der gleichnamige Podcast von Co-Host Timo Grampes, Journalist mit Fachgebiet Schule und Inklusion, gibt die Antwort: „Ein Kind ist niemals Systemsprenger“ (Menno Baumann, Episode 1). Dazu laden wir Prof. David Zimmermann, Sonderpädagoge mit Fokus auf Traumatisierung in der Kindheit und Jugend, ein, dieses wichtige Thema und den gesellschaftlichen Umgang damit zu diskutieren. Eine Veranstaltung, die sich an Menschen aus der sozialen Arbeit, an Film- und Medienschaffende, Eltern, Lehrende und Interessierte richtet.
Systemsprenger | Nora Fingscheidt | 120 Min. | 2021 | Originalfassung mit engl. UT
Gäste: Nora Fingscheidt, Timo Grampes, David Zimmermann, Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Filmvorführung mit Gespräch in deutscher Sprache
19.11. I 16 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Iracema: Tragödie des Amazonas (Jorge Bodanzky & Orlando Senna, 1975)
„Die industrielle Erschließung Amazoniens durch in- und ausländische Konzerne“, heißt es im kleinen Fernsehspiel 1976, „die Zerstörung des Urwaldes, der Bau eines gigantischen Straßensystems quer durch den Kontinent, die Vertreibung und Versklavung der Urbevölkerung durch rücksichtslose industrielle Expansion, das brasilianische Wirtschaftswunder mit seiner Konjunktur der Spekulanten und Glücksritter, bilden den Hintergrund der Geschichte der fünfzehnjährigen Iracema.“ Sie ist die Titelfigur des dokumentarischen Spielfilms von Jorge Bodanzky, der damit einen Meilenstein des brasilianischen Cinema Novo erschafft. Der Film ist einzigartig in seiner komplexen Kritik an der Ausbeutung von Mensch und Umwelt, der indigenen Völker und der Frauen insbesondere. „All die Probleme, die Iracema aufgedeckt hat, haben sich heute verschärft“, sagt Bodanzky 2022. Ein „Mann mit der Kamera“, ein Altmeister des politischen Films aus Lateinamerika zu Gast in Berlin.
Iracema (Iracema – Uma Transa Amazônica) |Jorge Bodanzky & Orlando Senna | 86 Min. | 1976 | Originalfassung mit dt. UT
Gast: Jorge Bodanzky, Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Filmvorführung mit Gespräch in deutscher Sprache
20.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Anou Banou – Töchter der Utopie (Edna Politi, 1983)
Edna Politis Debütfilm von 1974 trägt den noch heute provokanten Titel: Für die Palästinenser. Eine Israelin berichtet. 1981 dreht sie einen zweiten Dokumentarfilm in Israel, in dem es um die Rolle der Frau geht. Nahmen die Pionierinnen noch am Kampf um eine neue Gesellschaft teil, von der sie das Recht auf Arbeit, Autonomie und Gleichstellung erwarteten, so wird mit der Etablierung des Staates die Befreiung der Frau zum Mythos, der im Widerspruch zur gelebten Realität steht. Die Filmemacherin und Absolventin der dffb in Berlin, geboren „als jüdische libanesische Frau, die eine israelische und dann eine französisch-europäische Frau wurde, die in Genf lebt“, macht es sich in ihrem Werk zur Aufgabe, die Kraft des Utopischen zu erforschen, das nur ein Miteinander, ein Leben unter Gleichen sein kann. Wo die Utopie Risse zeigt, erhebt sie Einspruch. Ihre Stimme darf im Diskurs um die Bedeutung einer vielstimmigen Geschichtsschreibung nicht fehlen.
Anou Banou – Töchter der Utopie (Anou Banou ou les filles de l’utopie) |Edna Politi | 84 Min. | 1983 | Originalfassung mit dt. UT
Filmvorführung
Das angekündigte Gespräch muss leider entfallen. Es wird einen Nachholtermin geben, der zeitnah kommuniziert wird.
21.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Bab el-Oued City: Chronik der Gegenwart (Merzak Allouache, 1994)
Als Merzak Allouache 1993 einen Film dreht, steht Algerien am Beginn eines dunklen Jahrzehnts, in dem der staatliche Geheimdienst und fundamental-islamische Gruppen sich auf Kosten der Zivilbevölkerung einen erbitterten Krieg liefern. Dennoch wirft Allouache in der Geschichte vom Bäcker Boualem, der den Lautsprecher des Muezzin herausreißt, weil er nicht schlafen kann, einen intensiven Blick auf das Viertel, in dem er geboren wurde. Dieser Blick voll Sympathie und Humor auf die postkoloniale Gegenwart Algeriens prägt den Stil des Filmemachers. Sein Werk reflektiert diese Gegenwart auf die Leinwände in Cannes und Venedig und wird eine wichtige Stimme des Weltkinos, die den Kanon der medialen Repräsentation junger Männer aus Nordafrika relativiert: Seien es die namenlosen Flüchtenden auf Schlauchbooten, denen er Harragas widmet oder die Jihadisten, von denen er in Le Repenti und Vent Divine erzählt. Der Filmemacher als Chronist, sein Werk als Archiv der Zeitgeschichte, im Dialog.
Bab el-Oued City | Merzak Allouache | 91 Min. | 1994 | Originalfassung mit dt. UT
Filmvorführung
Das angekündigte Gespräch muss leider entfallen.
22.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Yalda: Spiegelung der Realität (Massoud Bakhshi, 2022)
Nach internationalen Erfolgen als Dokumentarfilmer verlegt der Regisseur Massoud Bakhshi mit seinem Spielfilmdebut A Respectable Family den Blick ins Innere einer Familie, in dem sich die äußere, die politische Realität, spiegelt. In seinem zweiten Film, auf eine iranische Reality Show verweisend, inszeniert er 2018 ein Drama, das sich innerhalb eines Abends in einem TV-Studio abspielt. Zu Gast in der Live-Show ist Maryam, zum Tode verurteilt wegen Mordes an einem älteren Freund der Familie, mit dem sie eine sogenannte „Ehe auf Zeit“ führte. Ihr gegenüber sitzt Mona, seine erwachsene Tochter, in deren Macht die Entscheidung über Leben und Tod liegt, während das Publikum per sms zum Televoting aufgefordert wird. Auch mit diesem Film setzt Bakhshi, der in Teheran lebt, den Film gekonnt als Spiegel ein, der das Publikum mit sich selbst in der Rolle der Richtenden konfrontiert. Wie im Kino der Gegenwart ein Ausblick in die Zukunft der medialen Realität möglich wird, steht im Fokus der Diskussion.
Yalda (Yalda, la nuit du pardon) | Massoud Bakhshi | 82 Min. | 2022 | Originalfassung mit dt. UT
Gast: Massoud Bakhshi, Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Filmvorführung (Originalfassung mit deutschen UT) mit Gespräch in englischer Sprache
23.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Die Schlange in meinem Bett: Poesie der Rebellion (Omah Diegu, 1992)
Das lebendige Archiv: Erst seit einigen Jahren im filmhistorischen Blick ist die Gruppe unabhängiger afrikanischer, karibischer und afroamerikanischer Filmemacher*innen der 1970er und 80er Jahre an der UCLA, die dem amerikanischen Mainstream ein Neues Schwarzes Kino entgegenstellte. Die Künstlerin und Filmemacherin Omah Diegu aus Nigeria dreht 1980 den autobiografischen Kurzfilm African Woman U.S.A., der
das Thema Immigration in die USA aufgreift. Daran schließt die Künstlerin mit ihrem Essayfilm von 1995 an, in dem sie ihrem Sohn Ozim die Geschichte seiner Herkunft erzählt. Diese beginnt in Nigeria mit der Heirat zwischen der Regisseurin und einem deutschen Ingenieur. Doch bald wird klar: Er ist schon verheiratet und weigert sich, das Kind anzuerkennen. So reist sie nach Deutschland, um die Registrierung ihres Sohnes zu erreichen. Ein Film wie ein Revolutionslied, das mit den Mitteln der Poesie Rassismus und Misogynie den Kampf ansagt. Mit Omah Diegu kommt eine Ikone der L.A. Rebellion nach Berlin.
Die Schlange in meinem Bett | Omah Diegu | 86 Min. |1995 | Originalfassung
Gast: Omah Diegu, Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Filmvorführung (deutsche Originalfassung) mit Gespräch in englischer Sprache
24.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Panels
Was anderes machen: Fernsehen der Zukunft
Die Redaktionsgeschichte des Kleinen Fernsehspiels zu erforschen, bedeutet einen Streifzug zu unternehmen durch die politischen und kulturellen Strömungen der Zeitgeschichte. 1963 bis 2023, das waren sechs Jahrzehnte voller Wandel: der Systeme, der Weltordnung(en), der Geschlechterverhältnisse, des Verhältnisses zwischen globalem Süden und Norden, der medialen Realität, der technischen Entwicklung, der Demografie usw. Kathrin Brinkmann unternimmt diesen Streifzug aus einer Innen- Außenperspektive heraus, als beratende Kuratorin die Filme der Ausstellung in den Blick nehmend. Im Anschluss folgt ein Gespräch mit der ehemaligen Redaktionsleiterin Claudia Tronnier und dem derzeitigen Leiter Burkhard Althoff. Wir laden ein zu einer Reise in die Vergangenheit, in der das Fernsehen der Zukunft entstand.
Vortrag: Kathrin Brinkmann, Gäste: Burkhard Althoff, Claudia Tronnier, Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
17.11. I 19 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Recht auf Öffentlichkeit IV: Der Grundstein für eine Bibliothek der Bilder
26.11. I 11–16 Uhr, TV Studio Betonhalle I Anmeldung hier
Teil 1: Vom Programmvermögen zum Bibliotheksmodell, 11–13 Uhr
Es wird im Hintergrund derzeit viel gearbeitet zur Zukunft eines digitalen öffentlich- rechtlichen Rundfunks in Deutschland: Was sind die zentralen Aufgaben – Information, Unterhaltung, Lokalberichterstattung? Wie können neue Strukturen und Verteilungsmodelle geschaffen werden? Wie kann ein einheitliches digitales Angebot der „Öffentlich-Rechtlichen“ aussehen? Was dabei oft „außen vor“ bleibt, sind die gewaltigen Archive der Rundfunkanstalten. Wie kann dieses aus den für alle Bürger*innen, Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen des Gemeinwohls in Deutschland obligatorischen Rundfunkbeiträgen finanzierte gemeinsame kulturelle Erbe und „Programmvermögen“ zukünftig allen zugänglich werden? Es müssen tragfähige Modelle gefunden werden, die nach einem Tantiemenmodell – ähnlich wie bei Büchern – das Urheber*innenrecht nicht aushebeln, aber ein nichtkommerzielles Bildungsangebot für die gesamte Breite der Gesellschaft anstreben.
11 Uhr Keynote mit Bart van der Linden (Editor-In-Chief, Sound & Vision Museum, NL)
11:30–13 Uhr Diskussion mit: Klaudia Wick (Leiterin der Abteilung Fernsehen und Bibliotheken, Deutsche Kinemathek), Rabea Limbach (Deutsches Rundfunkarchiv), und Bart van der Linden
Moderation: Vivien Buchhorn & Merle Kröger
Teil 2: Welt(kino)-Kulturerbe: das transnationale Archiv des Kleinen Fernsehspiels, 14–16 Uhr
Das Archiv des Kleinen Fernsehspiels ist mit über 1500 Koproduktionen aus sechs Jahrzehnten ein Kulturerbe, das bedeutende Filmwerke aus Deutschland und der Welt enthält. Dieses Archiv soll künftig als Modellprojekt des öffentlich-rechtlichen Bestands ein living archive werden, das zugänglich für Forschung und Wissenschaft, für restaurative und kuratorische Projekte und für die Filmbildung wird. Dafür ist eine Zusammenarbeit verschiedener Institutionen und eine gemeinsame finanzielle und strukturelle Vision unerlässlich. Mit einem solchen Pilotprojekt könnte der Grundstein für eine zukünftige Bibliothek der Bilder gelegt werden.
Diskussion mit: Burkhard Althoff (Redaktionsleitung ZDF – Das kleine Fernsehspiel), Prof. Alexandra Schneider (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Stefanie Schulte Strathaus (Künstlerische Leitung des Arsenal – Institut für Film und Videokunst), Vivien Buchhorn (Kuratorin des Shahid Saless Archives)
Moderation: Bettina Ellerkamp & Merle Kröger
Performance
CHEAP & XIU XIU TV LIVE: Homo is where the heart is
„Home is where the heart is“ ist einer dieser kitschigen, nostalgischen Slogans, der die warmen Gefühle eines Abends mit der Familie vor dem Fernseher hervorruft, bei dem sinnlose Unterhaltung als Vorwand für das Zusammensein dient. Homo is where the heart is, ebenso kitschig, versucht, die Heteronormativität des ersten Slogans zu unterlaufen, um den häuslichen Raum für die Möglichkeiten der queeren Differenz zu öffnen. CHEAP & XIU XIU TV LIVE ist eine Live-Fernseh-Talkshow, die die Sehnsucht nach den kuscheligen Nächten von gestern weckt, die man auf dem Sofa vor einem queeren experimentellen Mitternachtsfilm im Spätfernsehen verbrachte. Nutz uns als Ausrede, um mit deinen Liebsten zusammen zu sein. CHEAP & XIU XIU TV LIVE. Mit: Jonathan Berger, Maximilian Brauer, Vaginal Davis, Mischa Leinkauf, Susanne Sachsse, Angela Seo, Marc Siegel, Martin Siemann, Pola Sieverding, und Jamie Stewart.
Mit: Jonathan Berger, Maximilian Brauer, Vaginal Davis, Mischa Leinkauf, Susanne Sachsse, Angela Seo, Marc Siegel, Martin Siemann, Pola Sieverding, und Jamie Stewart.
25.11. I 20 Uhr, Betonhalle I – Ausgebucht! –