Breathing Matter(s) – Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor
18. Juli bis 24. August 2025 I Betonhalle
Eröffnung: Do, 17. Juli, Einlass: 19 Uhr / Start: 19:30 Uhr
Öffnungszeiten: Mo–Fr, 14–20 Uhr / Sa–So, 11–20 Uhr
Eintritt frei
Diesen Sommer widmet das silent green den beiden Künstler*innen Véréna Paravel und Lucien Castaing-Taylor mit Breathing Matter(s) eine umfangreiche retrospektive Einzelausstellung, welche die künstlerische Entwicklung des Duos nachzeichnet und ihre wichtigsten Arbeiten präsentiert.
Mit ihrer ersten gemeinsamen Arbeit Leviathan wurden Paravel und Castaing-Taylor 2012 schlagartig international bekannt. Nur wenige Künstler*innen haben den filmischen Erfahrungsraum in den letzten Jahren so radikal erneuert. Formal, ästhetisch und programmatisch sprengen ihre bildgewaltigen Werke die Grenzen zwischen Anthropologie, Dokumentarfilm und Bildender Kunst und bringen tradierte, anthropozentrische Repräsentations- und Sichtbarkeitsordnungen ins Wanken.
Die filmische Immersion, die starke Fokussierung auf die sinnlich-körperliche Wahrnehmung und das tiefe Eintauchen in gelebte Erfahrungen stehen im Zentrum ihrer Arbeiten – sei es der blutige Alltag der Hochseefischerei, die abstoßenden Fantasien eines Kannibalen, die surrealen Traumlandschaften des gesprächigsten Schlafredners der Welt oder die erhabenen Visionen des pulsierenden Inneren des menschlichen Körpers.
Wir sind beide Anthropologen im Stadium der Genesung.
Nach Abschluss unseres Doktorats verloren wir nach und nach die Begeisterung für unser
Fachgebiet, vor allem für den Anspruch, die Wandelbarkeit kultureller Bedeutung
und die Vielfalt weltweit gelebter Erfahrung allein durch Worte zu
repräsentieren, insbesondere in Form von lehrsatzartigen Beschreibungen.
Wir sind zuallererst körperliche Wesen, erst in zweiter Linie kommt die Sprache ins Spiel.
Unabhängig voneinander – wir kannten uns damals nicht –
verspürten wir das Bedürfnis, auf sprachliche Ausdrucksformen zu verzichten
und uns mit Bildern und Klängen zu begnügen.
Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor
im Gespräch mit Hila Peleg in We are Somatic Creatures
Entsprechend radikal wenden sich die beiden von den narrativen und formalen Konventionen des Dokumentarfilmgenres ab. Keinerlei belehrende Information, kein Gespräch, kein Kommentar, keine Erzählung, die Distanz zum Gezeigten schaffen oder es einordnen. Sie folgen keinem Drehbuch oder definierten Forschungsfragen, sondern lassen sich von dem leiten, was sie sehen und empfinden.
Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Ein Rahmenprogramm mit Künstler*innengesprächen und Filmvorführungen präsentiert ergänzende Perspektiven auf die in der Ausstellung verhandelten Themen. Genauere Informationen folgen.
Véréna Paravel
Anthropologin Véréna Paravel, geboren in Neuchâtel, Schweiz, arbeitet in den Bereichen Film, Video und Fotografie. Ihr Werk überschreitet traditionelle Grenzen und erforscht die Poetik und Politik des Körpers, die physischen und sinnlichen Grenzen menschlicher Erfahrung, interspezifische Perspektiven, sensorische Ethnographie und neue ökologische Konzepte. Seit 2008 ist sie als Forscherin und Dozentin am Sensory Ethnography Lab (SEL) der Harvard University tätig.
Lucien Castaing-Taylor
Anthropologe Lucien Castaing-Taylor, geboren in Liverpool, Großbritannien, verbindet in seiner Arbeit die Fähigkeit der Kunst, Widersprüche und Ungewissheiten auszuhalten, mit einer ethnografischen Hinwendung zum Fluss des Lebens und einem Engagement für die drängenden ökologischen und politischen Herausforderungen unserer Zeit. Seit 2002 lehrt er an der Harvard University, wo er das Sensory Ethnography Lab (SEL) gründete und bis heute leitet. Das Labor widmet sich der Erfassung sinnlicher und verkörperter Aspekte menschlicher Erfahrung jenseits konventioneller Erzählformen.
Gemeinsame Arbeit
Zusammen haben Véréna Paravel und Lucien Castaing-Taylor eine neue Filmsprache entwickelt, die anthropologische Forschung und künstlerisches Experiment verbindet. Ihre Filme zeichnen sich durch eine radikale Ästhetik und eine sensorische Erzählweise aus. Zu ihren gefeierten Werken gehören Leviathan (2012), somniloquies (2017), Caniba (2018) und De Humani Corporis Fabrica (2022). Die Arbeiten von Paravel und Castaing-Taylor wurden in führenden Museen, Biennalen und Festivals weltweit präsentiert und fordern das Publikum heraus, die Welt auf radikal neue Weise zu sehen und zu erfahren.
Sensory Ethnography Lab (SEL)
Das Sensory Ethnography Lab der Harvard University zählt heute zu den spannendsten Produktionsstätten für Dokumentarfilm und filmische Forschung. Mit einer kritischen Haltung gegenüber dem kulturellen Erbe des kolonialen Kinos arbeitet das Institut seit 2006 daran, die visuelle Praxis ethnografischer Feldforschung und Filmkunst zu erneuern. Dabei wird das statische Wissen, das durch bloße Beobachtung gewonnen wird, durch die Montage und visuelle Ästhetik sensorischer Ereignisse ersetzt.
Die Einzelausstellung Breathing Matter(s) ist ein Projekt der silent green Film Feld Forschung gGmbH. Gefördert durch die LOTTO-Stiftung Berlin.

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